Brief eines jungen Eishockeyspielers an seinen Vater

Lieber Papi,

es freut mich, dass Dein gebrochenes Bein gut verheilt ist. Ich merke, dass du schon wieder ganz fit für die Play-off Spiele bist, an der ganzen Art, wie du dich beim Training engagierst. Es hat mir wirklich leid getan, dass Frau Schmitz auf dem Eis ausgerutscht ist und dabei auf Dein Bein gefallen ist, als ihr beide übers Eis gelaufen seid, um dem Schiedsrichter eure Meinung mitzuteilen, als er mir eine Strafzeit gegeben hat.

Aber Papi, warum musst du bei den Spielen auch immer so aufgeregt sein? Ich weiß, dass dich das Eishockey jedes Jahr viel Zeit und Geld kostet, aber weißt du was, ich habe schon in der letzten Saison vergessen, Spaß am Eishockey zu haben.

Im November, als du sauer auf unseren Trainer warst, weil er mich nicht jeden zweiten Wechsel eingesetzt hat und du dich deshalb auf dem Parkplatz mit ihm fast geprügelt hast, haben einige Spieler aufgehört mit mir zu sprechen. Ich weiß, dass du die Spiele sehr genossen hast, bis Frau Schmitz auf Dein Bein gefallen ist, aber ich konnte es kaum erwarten, bis die Spiele vorbei waren. Dass du mich liebst und alles gut meinst, weiß ich auch.

Es war aber schon sehr peinlich, als du über dem Plexiglas gehangen bist und mich vor der Mannschaft einen Verlierer nanntest. Ein anderes Mal wollte ich mich am liebsten in der Ecke verkriechen, als du so hart gegen das Plexiglas geschlagen hast, dass es brach und aufs Eis gefallen ist. Ein Spieler des Gegners hat damals zu mir gesagt, dass vielleicht Du spielen und ich selbst auf der Tribüne zuschauen sollte. Nachher bei uns zu Hause habe ich aus Wut nach unserer Katze getreten.

Oder dann das Spiel, wo du mich während des Spiels von der Bank geholt hast. Papi, ich wollte wirklich nicht während des Alleingangs hinfallen. Die anderen Spieler und der Trainer haben es doch auch verstanden und es hat mir gut getan, als sie mir auf die Schulter geklopft haben. Aber wenn ich auf dem Eis bin und du mich anschreist, bekomme ich immer Bauchweh, bin durcheinander und kann nicht mehr richtig denken. Alles was ich dann will, ist weg vom Eis.

Dass du viel Ahnung vom Eishockey hast, weiß ich auch, denn du hast in den 70er Jahren die Deppendorfer Mannschaft trainiert. Aber wenn du mir was sagen willst, kannst du dann nicht warten bis wir zu Hause sind, um es mir dann in Ruhe bei einer Tasse Schokolade erklären? Mein Trainer hat gesagt, dass ich meine besten Spiele machte, als du mit deinem gebrochenen Bein im Krankenhaus gelegen hast. RICHTIG, ich freute mich auf diese Spiele, war entspannt und ich habe nur den Klang der Kuhglocke von Frau Schmilz gehört, die dich, wie ich meine, doch wenigstens einmal im Krankenhaus hätte besuchen können.

Papi, ich weiß, du willst, dass ich einmal Tore schieße wie Dein Idol Niclas Erikson. Aber ich fürchte, ich werde nicht so gut wie er. Ich will auch gar nicht wie jemand anderes sein, sondern ich möchte nur ich selber sein. Ich weiß auch, als du in meinem Alter warst, fünf Kilometer weit durch Schnee und Eis zur Schule laufen musstest, mit Löchern in den Schuhen. Nach der Schule hast du dann den Schnee vom Eis geräumt, mit gefrorenen Zehen gespielt und alte Kataloge als Schienbeinschoner benutzt und so weiter und so weiter…

Du erwartest von mir, dass ich genauso tapfer bin wie du, aber wenn ich Dich dann schreien höre, habe ich das Gefühl, ich spiele nur für „Dich“ und nicht für „meine Mannschaft“. Ich bekomme auch immer einen ganz steifen Hals, weil ich immer auf die Tribüne gucken muss, um deinen Zeichen und Signalen zu folgen. Papi, ich weiß auch, dass Prämien sehr wichtig sind, aber hast du was dagegen, wenn ich nicht mehr die 5 Euro für jedes Tor bekomme? Denn ich würde lieber dem kleinen Rudi helfen, sein erstes Tor zu schießen.

Ich weiß, es ist sehr wichtig für dich, dass nur die Besten spielen und wir alle unsere Spiele gewinnen, aber der Trainer lässt uns „alle“ spielen, damit wir Spielpraxis sammeln können und sagt, wir sollen nach einer Niederlage unsere Köpfe nicht hängen lassen.
Er meint, es ist okay, ein Spiel zu verlieren, wenn wir „unser Bestes“ gegeben haben und als Mannschaft gespielt haben. Ich weiß, du meinst, der Trainer sollte gefeuert werden, weil er uns wie Kinder behandelt und trainiert, aber wir Spieler mögen ihn, weil er uns einen Klaps auf die Schulter gibt, wenn wir einen Fehler gemacht haben und sagt dann „wir lernen von unseren Fehlern“.Ich weiß nicht ob es stimmt, aber ein anderer Vater hat erzählt, der Trainer macht unser Training auch nur ehrenamtlich. Ich wünsche mir, dass Eishockey nicht so wie eine Arbeit wird. Nachdem ich den ganzen Tag in der Schule ruhig sitzen muss, möchte ich, dass Eishockey mehr Spaß macht als Mathe oder Deutsch; egal wie viel Millionen der Wayne Gretzky verdient hat, wie du immer erzählst.
Ich kann mich auch noch genau erinnern, wie du mich auf dem Weg nach Hause angebrüllt hast, weil ich „wie ein Kind“ gespielt habe.

Das stimmt, ICH BIN EIN KIND! Ich bin erst 10 geworden…

Dein Sohn